AIL-Talk: Postkoloniale Konstellationen der Gegenwartskunst, Jan Svenungsson im Gespräch mit Karl-Heinz Kohl
Am 10. Mai (Mittwoch) trifft Jan Svenungsson im Gespräch auf den Ethnologen Karl-Heinz Kohl (Goethe Universität Frankfurt) im Angewandte Innovation Laboratory, eingeführt von Ingeborg Reichle: Neue Kartografien der Gegenwartskunst schließen die Kunstproduktionen indigener Gegenwartskünstler zunehmend ein, die bis vor wenigen Jahrzehnten als einförmig und ästhetisch belanglos beschrieben wurden und vor allem zur Formierung kultureller Differenzen Verwendung fanden. Im Kunstmarkt werden indigene Künstler heute zu Höchstpreisen gehandelt und finden weltweit Eingang in zeitgenössische Kunstsammlungen. Insbesondere der Kunst der Aborigines, der Ureinwohner Australiens, wird seit den 1970er Jahren große Beachtung geschenkt. Einige Arbeiten dieser 40.000 Jahre alten Kunstproduktion gelten heute als die wichtigsten australischen Kunstwerke des 20. Jahrhunderts. 1998 hat der Künstler Jan Svenungsson die Kunst der Aborigines für sich entdeckt, als er zum ersten Mal nach Australien reiste. Zehn Jahre später kehrte er zurück und schuf mit A Place on Earth (Papunya) eines seiner bislang größten Bilder für die Galerien des Royal Melbourne Institute of Technology. Im Zentrum des Gesprächs zwischen Jan Svenungsson und dem Ethnologen Karl-Heinz Kohl stehen sowohl das Interesse des Künstlers an der Kunst der Aborigines als auch die Verflechtung dieser Kunst mit der Geschichte des Kolonialismus in Australien sowie Überlegungen im Hinblick auf gegenwärtige Globalisierungsprozesse der Gegenwartskunst, die indigene Kunst heute zunehmend sichtbar werden lassen. Karl-Heinz Kohl wird in seinem Gesprächsbeitrag auf die geheim gehaltenen totemistischen Bedeutungen bestimmter abstrakter Figuren in der traditionellen (bzw. „angewandten“ religiösen) Kunst der Aborigines eingehen als auch die Probleme erläutern, die sich durch ihre Verwendung im öffentlichen Raum in den Augen der Traditionalisten ergeben, was dazu geführt hat, das in vielen Museen die traditionelle Kunst der Aborigines nicht mehr ausgestellt wird. Zudem wird Karl-Heinz Kohl allgemein auf Formen der Aneignung kultureller Überlieferungen außereuropäischer Völker in der avantgardistischen europäischen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der globalen Gegenwartskunst eingehen.
Karl-Heinz Kohl studierte Religions- und Geistesgeschichte, Geschichte und Philosophie, Religionswissenschaft und Ethnologie an der Universität Erlangen und an der Freien Universität Berlin. 1980 promovierte er in Berlin und habilitierte sich 1986 an der Freien Universität Berlin im Fach Religionswissenschaften. 1988 wurde er zum Professor für Allgemeine Ethnologie am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Universität Mainz berufen. Von 1996 bis 2016 war Karl-Heinz Kohl Professor am Institut für Ethnologie und Direktor des Frobenius-Instituts an der Universität Frankfurt.
Jan Svenungsson studierte an der Kungliga Konsthögskolan in Stockholm und am Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques in Paris. Seit 2011 ist er Professor an der Universität für angewandte Kunst, Wien und leitet die Klasse Grafik | Druckgrafik. In seiner künstlerischen Arbeit verwendet Jan Svenungsson eine Vielzahl von Medien, wie etwa grafische Techniken aber auch Malerei, Foto, Backstein und Installationen.
Programm:
Einführung | Ingeborg Reichle, Universität für angewandte Kunst Wien
Vorträge
Jan Svenungsson, Universität für angewandte Kunst Wien
Karl-Heinz Kohl, Goethe Universität Frankfurt
Addresse:
ANGEWANDTE INNOVATION LABORATORY
Franz Josefs Kai 3
1010 Wien
www.ailab.at
Post-colonial Constellations in Contemporary Art: Jan Svenungsson in conversation with Prof. Dr. Karl-Heinz Kohl, Goethe University Frankfurt
New cartographies of contemporary art are increasingly including the art productions of indigenous artists, which until a few decades ago were considered uniform and aesthetically negligible and utilised primarily to posit cultural differences. In today’s art market the works of indigenous artists fetch top prices and are on display in contemporary art collections all over the world. Particularly the Aboriginal art made by Australia’s indigenous peoples has received a great deal of attention since the late 1970s. Aboriginal art has been produced for over 40,000 years and some of the contemporary works are held to be the most important Australian art of the twentieth century. The Swedish artist Jan Svenungsson first encountered Aboriginal art when he visited Australia for the first time in 1998. Ten years later he returned, and with A Place on Earth (Papunya) created one of his largest works to date for the gallery of the Royal Melbourne Institute of Technology. The talk between Jan Svenungsson and the German ethnologist Karl-Heinz Kohl will focus both on the artist’s interest in Aboriginal art and the interdependence of this art and the history of British colonialism in Australia. A further theme will be the current globalisation processes in contemporary art that have rendered the art of indigenous peoples increasingly visible. Karl-Heinz Kohl will also address the totemistic meanings of certain abstract figures that have been kept secret in the traditional or religious art of the Aborigines and explain why the objections of traditionalists to their presentation in the public sphere has led to many museums no longer exhibiting traditional Aboriginal art. In addition, Karl-Heinz Kohl will discuss in general the forms in which the cultural traditions of non-European peoples were appropriated by avant-garde European art in the early twentieth century that have now entered global contemporary art.
Karl-Heinz Kohl studied the history of religion, intellectual history, history, philosophy, and ethnology at the University of Erlangen and the Freie Universität Berlin. He received his doctorate in 1980 in Berlin and in 1986 submitted his habilitation in religious studies at the Freie Universität Berlin. In 1988 he was appointed professor of ethnology at the Institute of Ethnology and African Studies, University of Mainz. From 1996 to 2016 he was a professor at the Institute of Ethnology and Director of the Frobenius Institute at the University of Frankfurt.
Jan Svenungsson studied at the Kungliga Konsthögskolan (Royal Institute of Art) in Stockholm and the Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques in Paris. Since 2011 he is a professor at the University of Applied Arts Vienna where he directs the classes in graphics and prints. In his art Jan Svenungsson utilises a range of media including graphic techniques, painting, photography, bricks, and installations.
Programme:
Introduction | Ingeborg Reichle, University of Applied Arts Vienna
Talks
Jan Svenungsson, University of Applied Arts Vienna
Karl-Heinz Kohl, Goethe University Frankfurt
Address:
ANGEWANDTE INNOVATION LABORATORY
Franz Josefs Kai 3
1010 Vienna, Austria
www.ailab.at