Coming up next: Seminar zu Prozessphilosophien und Medientheorien

Im Wintersemester 2019/20 wird die Philosophin und Medientheoretikerin Dr. Arantzazu Saratxaga Arregi ein Seminar zu Verschränkung von Medientheorien und Prozessphilosophien (SE, 2 WST., 3 ECTS) anbieten, da die Grundlagen der Medientheorien des 20. Jahrhunderts nicht ohne eine philosophische Propädeutik der Prozessphilosophien zu verstehen sind: Im Allgemeinen haben die Medientheorien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen deutlichen Bezug zu den Prozessphilosophien, die sich mit Prozessen als Grundannahme der Realität beschäftigen. Laut den Prozessphilosophien ist die Wirklichkeit eine dynamische und komplexe Struktur, die aus in permanenter Veränderung befindlichen Prozessen besteht. Der Kosmos ist laut den Prozessphilosophien ein prozesshafter ontologischer Ort bzw. Topos (Whitehead), wobei das Werden das Grundprinzip der Realität darstellt (Deleuze). Vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Paradigmas der modernen Physik des 20. Jahrhunderts findet die vom klassischen metaphysischen Denken bestrittene Kategorie des Werdens im Rahmen der Medientheorie und unter dem Einfluss der Kybernetik neuerlich Anerkennung. Die wissenschaftlichen, kybernetischen, künstlerischen und medientheoretischen Epistemologien (Knowledge) befinden sich bei der folgenden Aussage im Einklang: Die Wirklichkeit besteht nicht aus verorteten Objekten, sondern aus einem Feld, das aus Interaktionen von Prozessen und Ereignissen zusammengesetzt ist (Stengers), gleich wie die Systeme nicht aus der Summe ihrer Teile, sondern aus der Interaktion von Elementen und Prozessen bestehen. In diesem Kontext geht die Kybernetik folgenden Fragen nach: Wie verhält sich ein System? (Ashby) Wie wirken die Veränderungen eines Teiles des Systems auf das Ganze? Diese Veränderungen erfolgen nicht auf der Grundlage der metaphysischen Logik, sondern auf der Basis einer zirkulären Kausalität (Heinz von Foerster). Das Ziel des Seminars besteht darin, die Frage nach den Prozessen auf der ontologischen Basis (die Realität besteht aus Prozessen, nicht aus Substanzen) aus der Sicht der Theorien der Medien des 20. Jahrhunderts (das durch die Medien geschaffene Milieu ist prozessual) und der Kybernetik (Sie beschreibt die Funktionsweise von Prozessen im System) zu erklären.

Dr. Arantzazu Saratxaga Arregi ist Philosophin und Medientheoretikerin. Schwerpunkt ihrer Forschung ist das Innen in seiner breiten semantischen Deutung aus philosophischer Sicht und gestützt auf Disziplinen wie Medienphilosophie, Technikphilosophie, Wissenschaftstheorie, Kybernetik und zeitgenössische Philosophien. Hierbei geht es um die Frage der Entwicklung der Endomilieus und wie sie sich in Abwesenheit von deren Erscheinung ereignen. Der Versuch einer prozesshaften Ontologie der Endomilieus bildet einen Schwerpunkt der matrixialen Philosophie. Sie unterrichtet das Proseminar “Einführung in die Medientheorie” für die Abteilung Medientheorie seit 2019. Arantzazu Saratxaga Arregi hat an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe bei Peter Sloterdijk mit einer Dissertation zum Thema „Eine systematische Einführung einer matrixialen Philosophie. Für eine mehrwertige Ontologie: Mutter-Welt-Gebärmutter“ in Philosophie promoviert. Sie hatte davor in Bilbao, Barcelona und Madrid ihre Magister- und Master-Studien in Philosophie und Ästhetik absolviert.

Derzeit ist sie Post-Doc-Forscherin an der Akademie der bildenden Künste Wien in dem Projekt „Contemporary Prehistories .The Dissident Goddesses’ Network“, in dessen Rahmen sie zwei Forschungen betreibt: 1) Demeter Galaxis in Diskussion – eine Diskursanalyse der Redeordnungen des Muttermythos, 2) eine morphogenetische Hermeneutik zum Venus-Phylum, wobei sie die Herausforderung annimmt, den Venus-Figurinen der Altsteinzeit eine Hermeneutik zuzuschreiben.

Ihr philosophisches Projekt besteht im Aufbau und in der Entwicklung einer matrixialen Philosophie, deren Grundlage ihr Dissertationsprojekt bildet. Sie forscht über Entwicklungs- und Ausbildungsprozesse von geschlossenen Milieus und umweltbezogenen Bindungsrelationen. Im Rahmen dieses Projekts sind folgende Forschungen erfolgt: 2015 war sie Stipendiatin der Goethegesellschaft, Weimar, für das Projekt „Mehrwertigkeit einer matrixialen Symbolik“. 2017 erhielt sie ein Forschungsstipendium der DLA für das Vorhaben „Die Figur der Mutter im Rahmen der Medientheorie F. Kittlers: Mutter-Signifikant als kulturbildende Technologie der Moderne“.

Übersetzungen deutscher Monographien ins Spanische und baskischer Autoren ins Deutsche stellen ihre Nebenbeschäftigung dar. Das Buch Müdigkeitsgesellschaft von Byung-Chul Han hat sie ins Spanische übersetzt. Darüber hinaus nimmt sie Lehraufträge wahr und hält an mehreren deutschen Universitäten und Hochschulen Seminare mit Schwerpunkten in Kulturtechnik, Medientheorie und Kybernetik. Die Themen ihrer letzten Seminare drehten sich um die Erforschung von Themen, die den blinden Fleck der Medialität als solche umfassen, wobei die Medialität sich in einen Widerspruch verstrickt: Unmittelbarkeit und Mediation, Offenheit und Geschlossenheit. Darüber hinaus haben ihre Themen den technikphilosophischen Ansatz der Kulturbildung als Schwerpunkt, z.B. Intimität und technische Medien.