COVID-19: Konsequenzen für die zeitgenössische Kunst

Novel Coronavirus SARS-CoV-2 (Transmission electron micrograph of SARS-CoV-2 virus particles, isolated from a patient. Image captured and color-enhanced at the NIAID Integrated Research Facility (IRF) in Fort Detrick, Maryland. Photo Credit: National Institute of Allergy and Infectious Diseases, NIH.

Die COVID-19 Pandemie hat die Kunstwelt dazu gezwungen viele ihrer Aktivitäten in den virtuellen Raum zu verlegen, worauf diese nicht vorbereitet ist. Am 26. November wird Ingeborg Reichle auf der Tagung „Corona verstehen. Die Pandemie aus der Sicht der Geistes- und Kulturwissenschaften“ der Universität Innsbruck über die Konsequenzen von COVID-19 für die zeitgenössische Kunst sprechen. Eine Auseinandersetzung mit Infektionskrankheiten oder Pandemien im Sinne einer höchst disruptiven globalen Herausforderung – verursacht durch natürliche Zoonose (Infektionskrankheiten, die auf natürliche Weise zwischen Mensch und anderen Tieren übertragen werden können) oder durch menschengemachte Biologische Waffen (Massenvernichtungswaffen, bei denen Krankheitserreger oder natürliche Giftstoffe gezielt als Waffe in der Kriegsführung eingesetzt werden) – fand vor der COVID-19 Krise in der zeitgenössischen Kunst nur vereinzelt statt.Die gegenwärtige Pandemie bietet dem Betriebssystem Kunst die Möglichkeit zu überdenken, wie der Betrieb des Systems Kunst virtuell, bzw. oneline organisiert und fortgeführt werden kann: Welche Kunst kann online „ausgestellt“ werden? Was ist eine Online-Kunstausstellung? Und: ist das wirklich eine Ausstellung? Welche Rolle spielt der Kurator, bzw. die Kuratorin in einer Online-Ausstellung? Welche Rolle spielen Galerien und Museum für Online-Kunst? Was machen Künstler und Künstlerinnen online, was sie nicht in einem physischen Raum tun? Die Bereitschaft Kunst in virtuelle Welten zu verlagern, ist durch die COVID-19 Krise sicherlich gewachsen, was jedoch bislang zu wenig diskutiert wurde, ist der Umstand, dass diese Krise das massive Ausmaß bestehender Ungleichheiten aufgedeckt hat, was den Zugriff und die Teilhabe an diesen virtuellen Welten betrifft. Es lässt sich vermuten, dass wir als eine Konsequenz der gegenwärtigen Krise die zunehmende Thematisierung von Infektionskrankheiten und Pandemien in der zeitgenössischen Kunst und ihren Institutionen erleben werden (ob dieses Thema ein ähnlich großes Gewicht bekommen wird wie gegenwärtig der Klimawandel oder die Plastikverschmutzung der Meere wird sich zeigen). Wichtig wird dabei werden, dass das ganz große Bild gezeichnet wird: Der Umstand, dass Viren von Zeit zu Zeit die Tier-Mensch-Barriere überschreiten, ist ein „natürliches“ Phänomen, das schon lange existiert, durch unser soziales und wirtschaftliches Verhalten jedoch, wie etwa die Art und Weise, wie wir durch die fortschreitende Globalisierung und unseren ungezügelten Massenkonsum weltweit unsere Ökosysteme zerstören und zunehmend Druck auf den Lebensraum von Wildtieren ausüben, bieten wir ein ideales Umfeld für die Übertragung und Ausbreitung von Krankheitserregern, die zu Pandemie wie COVID-19 führen können.

 

Tagung

Corona verstehen. Die Pandemie aus der Sicht der Geistes- und Kulturwissenschaften

Understanding Corona. The pandemic as seen by the arts and humanities

Universität Innsbruck, Austria

25.-27. November 2020

Videostream und Chat

VeranstalterInnen: Elisabeth Dietrich-Daum, Marina Hilber, Wolfgang Meixner, Dirk Rupnow

Konzept:

Die Corona-Pandemie ist bisher vor allem als wissenschaftliche Herausforderung für Medizin und Pharmazie wahrgenommen worden wie auch für die Wirtschaft und Politik. Tatsächlich ist sie aber ein Thema für praktisch alle Geistes- und Kulturwissenschaften, historisch perspektiviert bzw. auf gegenwärtige Phänomene und Entwicklungen fokussierend. Die 2tägige Veranstaltung, die vom Tagungsteam in den ersten Wochen der Corona-Krise initiiert wurde, um Perspektiven der verschiedenen geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer sichtbar zu machen, soll ein erstes großes Forum an der Universität Innsbruck für den interdisziplinären Austausch zu Corona bieten.

In dieser öffentlich zugänglichen Tagung befassen sich Wissenschaftler*innen verschiedenster geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen mit den Ereignissen der Covid-19-Pandemie, den unterschiedlichen Erfahrungen und Narrativen, den vielfältigen Folgen und Auswirkungen sowie mit historischen Vorläufern – und werfen so Schlaglichter auf Corona als ein gesellschaftliches, politisches, kulturelles und wirtschaftliches Phänomen.

Programm

  1. November 2020

18:00–20:00

Literarischer Auftakt (gemeinsam mit dem Literaturhaus am Inn) „Dieser Tage …“ Reflexionen zu Corona-Journalen mit Bettina Balàka, Isabella Feimer, Thomas Stangl

Moderation: Anna Rottensteiner

  1. November 2020

09:00 – 09:30

Eröffnung

Rektor Tilmann Märk

Vizerektorin Ulrike Tanzer

Elisabeth Dietrich-Daum, Marina Hilber, Wolfgang Meixner, Dirk Rupnow

09:30 – 11:00 Panel 1 & 2

 

Panel 1

Pandemiegeschichte I: Narrative der Seuche

Chair: Elisabeth Dietrich-Daum

Robert Rollinger (Innsbruck): Globalization strikes back. Seuchen und Pandemien in den Alten Welten

Andreas Weigl (Wien): Die „Brechruhr-Epidemie“ und ihre (diskursiven) Folgen. Cholerapredigten, „Haupt-Unrathskanäle“ und kaiserliche Wasserleitungsbauten

Manuel Schmidinger (Innsbruck): „Ach wie schön war dagegen das Kranksein“. Die mediale Wahrnehmung von Infektionskrankheiten am Beispiel der Spanischen Grippe

Lukas Stelzhammer (Innsbruck): Von der New Homosexual Disorder zu AIDS. Der mediale Diskurs zu HIV/AIDS im Zeitraum von 1982 bis 1986

 

Panel 2

Kunst und Corona

Chair: Dirk Rupnow

Ingeborg Reichle (Wien): Art and the Plague. Konsequenzen von COVID-19 für die zeitgenössische Kunst

Martina Baleva (Innsbruck): Ästhetiken des Virus. Versuch einer Bildgeschichte

Regine Rapp (Berlin): The Camille Diaries. Reflecting on the Aesthetics of Care

11:00 – 11:30 Pause

11:30 – 13:00 Panel 3 & 4

 

Panel 3

Pandemiegeschichte II: Der Seuche begegnen

Chair: Wolfgang Meixner

Elena Taddei (Innsbruck): Aspekte von indirektem Impfzwang im Rahmen der Pockenschutzimpfungen im Kronland TirolElisabeth Dietrich-Daum (Innsbruck): Heilmittelforschung. Tuberkulinversuche in Tirol 1913-1915

Marina Hilber (Innsbruck): Aktive und passive Immunisierungsstrategien im Kampf gegen Polio – das Beispiel Österreich

Jürgen Brunner (Innsbruck): Impfen ja oder nein. Eine individuelle Entscheidung?

 

Panel 4

Gefährliches Gottvertrauen? Religionsgemeinschaften in Zeiten von Corona

Chair: Dirk Rupnow

Roman Siebenrock (Innsbruck): Virtuelle Körperlichkeit? „(Die Heilige) Corona“ als Krisenbeschleunigerin

Thomas Lipschütz (Innsbruck): „In Zeiten wie diesen…“. Die Israelitische Kultusgemeinde während der Corona-Krise

Zekirija Sejdini (Innsbruck/Wien): „Betet in euren Häusern”. Reaktionen der Islamische Glaubensgemeinschaft auf die Corona-Krise

Olivier Dantine (Innsbruck): Digitaler Aufbruch oder seelsorgliches Versagen? Die Evangelischen Kirchen im „Corona-Lockdown“

13:00 – 14:30 Pause

14:30 – 16:00 Panel 5 & 6

 

Panel 5

Epidemie und Rassismus / Antisemitismus

Chair: Dirk Rupnow

Jörg Schwarz (Innsbruck): Pest und Judenmorde. Der Schwarze Tod um die Mitte des 14. Jahrhunderts und seine gesellschaftlichen Folgen

Sören Urbansky (Washington, DC/Berkeley): Der kranke Chinese: Die dritte Pest-Pandemie in San Francisco und Wladiwostok

Eva Hallama (Wien): Von Läusen, Eindringlingen und anderen Unreinheiten. Fleckfieberprävention im Kontext der NS-Zwangsarbeit

Paul Weindling (Oxford): Challenge Vaccine Studies in the Perspective of WW2 Concentration Camp Research

 

Panel 6

Corona sound(s): Pandemische Geräuschkulissen zwischen Kakophonie(n) und (lautem) Schweigen

Chair: Marina Hilber

Julia Pröll (Innsbruck): Wi(e)der die Rhetorik von Alarm und Krieg? Pandemische Geräuschkulissen im Spiegel der Literatur – Albert Camus‘ „La Peste“ und Véronique Tadjos „En compagnie des hommes“

Maria Heidegger (Innsbruck): „Schreckenslaute für die Menschheit“. Geräuschkulissen von Cholera-Epidemien im Spiegel von Selbstzeugnissen des 19. Jahrhunderts

Cornelia Feyrer (Innsbruck): „Hören Sie die Welt“ oder „Killnoise“. Wie klingt Risiko? Translationssoziologische (Sound)Perspektivierungen von Interkulturalität in der Krisenkommunikation

Johanna Schwarz (Innsbruck): „The Sound of Silence“. Von Balkonkonzerten und Applausgeräuschen für Pflegekräfte zu gespenstischer Stille in Metropolen, von hörbarer Isolation und dem Schweigen in digitalen Räumen

16:00 – 16:30 Pause

16:30 – 18:00 Panel 7 & 8

 

Panel 7

Narrative und Deutungen der Corona-Krise

Chair: Marina Hilber

Dirk Rupnow (Innsbruck): Prophetie und Geschichte. Deutungen der Corona-Krise und historische Vergleiche

Silke Meyer (Innsbruck): Sinnstiftung in der Krise. Alltägliche Narrativierungen der Covid-19-Pandemie

Claus Oberhauser (Innsbruck): Die Krise als verschwörungstheoretische Versuchung

Andreas Müller (Innsbruck): Rechtsstaat und Überwachungsstaat – ein garstiger Graben?

 

Panel 8

Rechtsphilosophische und bioethische Perspektiven

Chair: Elisabeth Dietrich-Daum

Anne Siegetsleitner (Innsbruck): Notwendigkeit und bürokratisches Regieren durch „Maßnahmen“

Caroline Voithofer (Innsbruck): Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit von Covid-„Maßnahmen“

Gabriele Werner-Felmayer (Innsbruck): Evidenz und Solidarität. Narrative in Zeiten von Corona

19:00 – 21:00

Keynote mit anschließender Diskussion

Malte Thießen (Münster): Auf Abstand. Perspektiven einer Gesellschaftsgeschichte der Corona-Pandemie

Moderation: Marina Hilber

 

  1. November 2020

08:30 – 10:00 Panel 9 & 10

Panel 9

Objekte und Sammlungen

Chair: Wolfgang Meixner

Martina Nußbaumer (Wien): Wie sammelt man eine Pandemie? Das Projekt „Corona in Wien“ im Wien Museum

Karl Berger / Roland Sila (Innsbruck): Nur ein halbes Jahr später und schon zu spät? Spuren der Covid-19-Pandemie auf Papier in den Tiroler Landesmuseen

Alois Unterkircher (Ingolstadt): #behindyourmask – Ein Sammlungsaufruf des DMMI zu einem Alltagsobjekt der Covid-19-Pandemie

 

Panel 10

Geschlechtsspezifische Aspekte bei Balancing und Erleben während Covid-19

Chair: Kordula Schnegg

Heidi Siller / Gloria Tauber / Margarethe Hochleitner (Innsbruck): Vereinbarkeit von Kind und Arbeit bei „systemrelevanten“ Berufen während Covid-19

Alexander Kreh / Barbara Juen / Michael Lindenthal (Innsbruck): Geschlechtsspezifische Aspekte des Erlebens der Covid-19-Krise bei Gesundheitspersonal

Silvia Exenberger / Nina Haid-Stecher / Christina Taferner / Kathrin Sevecke (Innsbruck): Geschlechtsspezifische Unterschiede und Ähnlichkeiten bei Kindern im Hinblick auf das Bedrohungserleben ausgelöst durch Covid-19

Elisabeth Weiss (Innsbruck): Auswirkungen der Corona-Krise auf psychische Stresssymptome von Studierenden mit besonderer Berücksichtigung von Geschlechtsunterschieden

Max Preglau (Innsbruck): Corona und Geschlecht – eine intersektionale Betroffenheitsanalyse

10:00 – 10:30 Pause

10:30 – 12:00 Panel 11 & 12

 

Panel 11

Pandemische Dystopien in der Literatur des 21. Jahrhundert

Chair: Wolfgang Meixner

Doris Eibl (Innsbruck): Die Erinnerung der Zukunft. Dekadenz und Apokalypse in Catherine Mavrikakis‘ Dystopie Oscar de Profundis

Dunja Mohr (Erfurt): Pandemien lesen. Die Prolepsis der Literatur

Maria Piok (Innsbruck): „Der Körper ist uns Tempel“. Juli Zehs Corpus Delicti

Caroline Rosenthal (Jena): Was von der Zivilisation übrigbleibt. Die Funktion postapokalyptischer Narrative beim Begreifen von Pandemien

 

Panel 12

Ungleiche Verletzbarkeiten, regulierte Intimitäten, umkämpfte Solidaritäten: Geschlechterpolitische Implikationen und gesellschaftliche Verhandlungen der Corona-Pandemie

Chair: Marina Hilber

Flavia Guerrini / Heidi Siller (Innsbruck): Feministische Perspektiven auf Gewalt in Zeiten von Covid-19

Christine Klapeer (Göttingen, Innsbruck), Die „Kernfamilie“ als Ort der Sicherheit: Zur biopolitischen Re-/Stabilisierung von Hetero- und Homonormativitäten während der Corona-Krise

Verena Sperk / Paul Scheibelhofer (Innsbruck): Ansteckendes Lachen in Zeiten einer Pandemie

12:00 – 13:30 Pause

13:30 – 15:00 Panel 13 & 14

 

Panel 13

Gesundheitsstatistiken / Big Data / Prognostik

Chair: Wolfgang Meixner

Michael Pammer (Linz): Die Daten zur Epidemiologie im 19. Jahrhundert

Carlos Watzka (Linz): (Falsch-)Information, Emotion und Reaktion in Zeiten der Epidemie – Erkenntnismöglichkeiten der mentalitätsgeschichtlichen und wissenssoziologischen Forschung

Andreas Oberprantacher (Innsbruck): Der „R-Faktor“: Epidemiologie als virale Sozialwissenschaft

Peter Willeit (Innsbruck): Epidemiologische Studien zu Covid-19 und was wir davon ableiten

 

Panel 14

(Dis-)Ableism in der Krise: Menschen mit Behinderung zwischen Fürsorgeversprechen und Utilitarismus

Chair: Elisabeth Dietrich-Daum

Thomas Hoffmann (Innsbruck): (Dis-)Ableism in der Krise. Einführende Bemerkungen

Gregor Wolbring (Calgary): Disabled people, COVID-19 and its aftermath through an ability studies lens

Sophia Falkenstörfer (Freiburg): Abhängigkeit in der Krise: Reflexionen über den ‚fürsorglichen‘ Umgang mit Menschen mit Behinderung

15:00 – 15:30 Pause

15:30 – 17:00 Panel 15 & 16

 

Panel 15

Wirtschaftliche Perspektiven – ein Round Table

Chair: Wolfgang Meixner

Andreas Exenberger (Innsbruck): Eine Weltsystem-Perspektive auf eine potentielle Wasserscheide. Corona im Lichte langer Konjunkturzyklen

Markus Ohndorf (Innsbruck): Ökonomisch-fundiert Klimapolitik nach der Corona-Erfahrung

Katharina Mommsen (Innsbruck): Der gesellschaftliche Umgang mit Corona aus verhaltensökonomischer Sicht

Robert Groß (Innsbruck): Ein neuer (grüner) Marshall-Plan für Europa? Konzepte des Wiederaufbaus aus umwelthistorischer Perspektive

 

Panel 16

Präsenz und Distanz in der universitären Lehre

Chair: Maria Wolf

Gabriele Sorgo (Salzburg): Gouvernemedialität und distance learning. Über die Kontrolle der Kontrolle des Lehrens

Sabine Krause (Innsbruck): Doppelte Vermittlung aus der Distanz. Technische Mitspieler in der Lehre

Agnieszka Czejkowska (Graz): „Wenn Masken fallen und Körper sich vermischen“

17:15 – 18:15 Beitrag der Studierenden

Die Lock-down Studies: Studieren in Zeiten der Pandemie

Chair: Marina Hilber

Christoph Rabl / Theresa Kleinheinz / Anika Höllerl (Innsbruck)

18:30 – 19:30 Abschlussdiskussion / Versuch eines Resümees

Patrick Kupper (Innsbruck), Cornelia Lass-Flörl (Innsbruck), Malte Thießen (Münster)

Moderation: Elisabeth Dietrich-Daum, Dirk Rupnow

 

Team:

Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

Institut für Zeitgeschichte

FZ Medical Humanities

Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck

FSP Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte

Mit Unterstützung des Vizerektorats für Forschung und der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck

https://www.uibk.ac.at/events/info/2020/corona-verstehen.-understanding-corona